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Hafenstaatkontrolle - ein aktuelles, trauriges Beispiel

01.08.2024


Dieser Beitrag ist im Zusammenhang mit der News 


"Deutsche Flagge auf Halbmast" 


zu verstehen.


Zitat VDR (Verband Deutscher Reeder):


"Wozu dienen Hafenstaatkontrollen?

 

Auch in den Häfen, die die Schiffe anlaufen, werden regelmäßig Kontrollen durchgeführt, um sicherzustellen, dass die Schiffe den international vorgeschriebenen Standards entsprechen. Daten dazu werden gebündelt erhoben und die Kriterien für die Überprüfungen regional im Rahmen der unterschiedlichen bestehenden Hafenstaatkontrollregime festgelegt. 

 

Für Europa und den Nordatlantikraum gilt das Paris Memorandum of Understanding (Paris MoU), das 25 europäische Hafenstaaten sowie Kanada und die Russische Föderation zur Zusammenarbeit und zum Informationsaustausch aufruft. 


Die Behörden führen jährlich über 10.000 Inspektionen nach einem risikobasierten Ansatz durch, die wiederum Informationen über die Arbeit von Flaggenstaaten und Klassifikationsgesellschaften liefern. Obwohl etwa die Hälfte der in den letzten Jahren überprüften Schiffe häufig Mängel aufwiesen, wies nur ein sehr kleiner Teil – etwa jedes 30. Schiff – so schwere Verstöße auf, dass ihm zunächst die Weiterfahrt untersagt wurde.


Bei diesen Zahlen muss man allerdings auch berücksichtigen, dass Schiffe und Reedereien mit einem schlechten „Track Record“ häufiger überprüft werden als andere. Das jährliche Ranking in diesem Bereich ordnet Schiffe einer weißen, grauen oder schwarzen Liste zu. 


Um zu bestimmen, welcher Liste ein Schiff zugeordnet wird, wird die Anzahl der Festsetzungen ins Verhältnis zur Anzahl der Überprüfungen der letzten drei Jahre gesetzt. Die „weiße Liste“ umfasst Flaggenstaaten von Schiffen, die insgesamt keinen oder nur sehr geringen Anlass zur Sorge geben. In den letzten Jahren landeten die größten Flaggenstaaten – Liberia, die Marshallinseln, Hongkong, Singapur und Malta – unter den ersten 20. Von Billigflaggen kann also zumindest bei der Flaggenführung deutscher Reedereien keine Rede sein."


Anmerkung dazu:

Billigflaggen beschreibt nicht unbedingt den Zustand des Schiffes allein. Hier spielen eine viel größere Rolle andere Komponenten beim erzielen von Gewinnen, wie z.B. Steuererleichterungen, Tonnagesteuer, Crew im Billigsegment unter ITF Verträgen. Da ist eine Menge Potential enthalten. Nicht zu vergessen: die Verwaltungen und ihre Bürokratie, Vorschriften der Flagge.


Soweit so gut, auf Platz 21 sind wir mit Schwarz-Rot-Gold gelandet, das war schon mal besser.

Ich komme hier nochmals zurück auf den Fall aus der Praxis, im Vorbericht nur kurz angeführt.


Es handelt sich um das MS SERAFINA unter der Flagge von Palau.

Diese Flagge ist in der "Black List" zu finden. Nach VDR Angaben ist zu vermuten, dass solche Schiffe wesentlich häufiger kontrolliert werden als jene, die in der "White List" aufgeführt sind. Darauf bauen würde ich aber nicht!

Oft werden Behörden erst zur PSC an Bord kommen, wenn z.B. die ITF sich für die Besatzungen einsetzt weil Löhne/Heuern ausstehen, Verträge nicht abgeschlossen wurden, usw..

Lotsen und Polizei kommen doch fast in jedem Hafen an Bord! 

Warum sind diese Kenner der Lage nicht aufmerksam geworden?

Oder war das Schiff damals im operativen Zustand?


Da stellt sich mir die Frage:


so ein Schiff in der Black List muss doch da mal irgendwann hineingerutscht sein, wir vom HSV sprechen da vom Abstieg.

Schleichend, nannten wir das, unbemerkt oder so.


Nein, so nicht. Der Tabellenstand zeigte es doch an, die Statistik ist doch knallhart.

Was wurde gegen den Abstieg unternommen?


Was wurde vom Reeder/Betreiber der MS SERAFINA unternommen, um weiter in einem gesicherten "Mittelfeld" das Schiff zu betreiben, um Geld zu verdienen?


Anscheinend nur sehr wenig bis gar nichts. Auch kommen mir Zweifel, ob die PSC-Controls vorher etwas bewirkt, Folgen hatten, oder ob auch schon mal die Augen zugedrückt wurden.


Auch von Interesse: wo waren die Kontrollen vorher, in welchen Häfen.

Und was wurde weiter gereicht, bekannt gemacht, um den Zustand des Schiffes im Auge zu behalten?


Öffentlich zugänglich sind die Ergebnisse solcher Kontrollen.

Wir haben sie gefunden und stellen diese 3 Seiten der PSC an Bord hier zur Verfügung:


Thetis - Med - Inspections


Wir haben die Mängelliste gecheckt. Sprachlosigkeit kürzt mein Statement hier ab.

Das sind Mängel, die im Bereich Technik (Maintenance) des Betreibers liegen, aber eines zeigen diese Einträge sehr deutlich, nämlich was mit der gesamten Crew los ist oder war.


Eine Galeere oder gar ein Totenschiff? Die Besatzung riskiert ihre eigene Gesundheit und Sicherheit ohne etwas zu unternehmen?

Sind das die Fachkräfte der Zukunft unter der Schirmherrschaft von IMO und allen Berufsverbänden? Wer lässt so etwas durch die Kontrollen flutschen und wofür?

Allerdings sind das teilweise so arme Leute, die einfach Sklaven ihrer Lebensverhältnisse sind und unbarmherzig von Globalreederen unter Vertrag genommen werden. Wohlmöglich am Ende dann an Bord im Dreckhaufen allein übrig bleibend, ohne Verdienst und Heimschaffung, allein gelassen. Das traurige Ende eines Abstiegs. 


Nun, dazu haben wir einen Artikel der "TÜRKIYE TODAY" vom 29.07.2024 parat, dort wird veröffentlicht, was die Inspektion angetroffen hat.


(Eine deutsche Übersetzung!)


Türkisches Frachtschiff im Hafen von Haifa festgehalten


Das Frachtschiff Serafina, das unter der Flagge von Palau fährt und von Dalyan Shipping betrieben wird, wurde im Hafen von Haifa festgehalten, weil bei einer Inspektion „unmenschliche Bedingungen“ festgestellt wurden. Die Arbeitsbedingungen auf dem Schiff wurden als „unmenschlich“ beschrieben.


A. H., ein Inspektor der Internationalen Transportarbeiter-Föderation (ITF), berichtete von fehlenden Arbeitsverträgen, unsachgemäßer Lagerung von Lebensmitteln, Insektenbefall und defekten Toiletten auf dem Schiff. Er bezeichnete dies als die schlimmste Situation, die er in den vier Jahren seiner Tätigkeit als Schiffsinspektor in Israel erlebt habe.


Die Inspektion ergab zahlreiche Verstöße, darunter Kühltruhen, die bei über 0 °C betrieben wurden, verrottendes Fleisch, das übel riecht, und vernachlässigte Reinigungseinrichtungen. 


Die Hafenstaatskontrolle (PSC) in Haifa stellte 29 Mängel fest, von denen 18 so schwerwiegend waren, dass sie allein schon die Festsetzung des Schiffes rechtfertigten.


Laut ITF ist die Serafina unter der Flagge von Palau registriert, die als eine der schlechtesten im Mittelmeer gilt. 


Die Besatzung bestand aus 12 türkischen Staatsbürgern und 5 Personen aus Ägypten und Aserbaidschan, die mit schrecklichen Lebensbedingungen konfrontiert waren, darunter Insekten- und Flohplagen, leere und unsachgemäß gelagerte Gefrierschränke sowie kaputte Toiletten- und Duscheinrichtungen.


Equasis-Daten zeigen, dass Serafina Eigentum von Dalyan Shipping LTD ist und von Mert Marine Corp. verwaltet wird."


Puh, was für eine Dreckschleuder. Fotos kreisen im Internet umher, zu schmutzig für meine Seite, die eine Toilette im letzten Bericht reicht mir.


Aber keine Angst, so etwas ähnliches habe ich auch schon erleben dürfen auf mindestens 2-3 Schiffen meiner letzten Einsätze.

Darunter 2 deutsche "Deichgrafen", Schiffsbetreiber, Reeder, die sogar für Fördergelder anstehen und auch bekommen (umweltschonende Antriebe, etc.).

Ein Grieche, der sogar ein Kreuzfahrtschiff mit glatten 30 Findings betrieb und einfach so weitermachen wollte.


Sicherheit an Bord fängt mit Sauberkeit an!


Mein Schnack, aber nur leider selten vorgefunden.

Was macht man dann als Kapitän? Ich meldete es beim Reeder und wollte das behoben wissen, so schnell wie möglich.

Merkte ich, dass nichts unternommen wurde, habe ich die Galeere schnellstens verlassen.

Die letzten 2-3 Schiffe habe ich innerhalb eines Monats bis 3 Monate auf eigenen Wunsch, mit meiner Kündigung quittiert. Ab nach Hause.

Im Buch habe ich ein Beispiel gebracht, die Leser wissen welches ich meine. Fotos findet man auch hier auf meinen Seiten.

Ich kann mich nicht an solche unseemännischen Zustände gewöhnen.

Deswegen sind die Billigsegmentreeder ja froh, wenn wir ausscheiden!


Was wird nun aus der MS SERAFINA?

Türkischer Owner unter der Flagge von Palau.


Festgehalten in Haifa:  10.07.2024 (Detention)


Wenn Sie die Seiten der PSC-Inspektion bis zum Ende lesen, taucht ein kleiner, unauffälliger Satz auf:


Allowed to proceed to agreed repair 


Freigegeben in Haifa: 18.07.2024 (Release) !!!!


Wohin fährt das Sklavenschiff denn jetzt?


So etwas gibt es tatsächlich, wenn ernsthaft Reparaturen durchgeführt werden sollen und diese überwacht und abgenommen werden sollen.

Das ist ein Vertrauensbonus.

Aber unter uns: jede Hafenbehörde wäre froh, eine solche Galeere nicht im Hafen zu halten, verstehen Sie mich?


Hier die Bedingungen für einen solchen Deal!


Procedures for Port State Controls unter Punkt 3.7 bitte.


Nun haben wir seit Tagen versucht, den Dampfer zu entdecken. Im Vesselfinder oder Tracker, keine Chance. 


Wo ist er hin, der Abstiegskandidat?


Eine Erklärung von der ILO (International Labour Organization)  

dies hier sein:


ILO-Statement


Also alles gut jetzt?


Hier die Geschichte des Dampfers (anklicken)


Erschreckend, was das Schiff schon alles erlebt hat.

Und die Klassenzeugnisse und Zertifikate sagen mir: das Ding liegt auf!

Ohne Ladung? Leer? In Ballast?


Vergessen wir dabei bitte nicht die Ladung des "Schiffes"!

Ja es hatte Ladung an Bord, verdiente Geld.

Bediente die Transportkette, für wen auch immer.

Da kann jede Reederei Slots anmieten, um seine Container in kleinere Häfen feedern zu lassen.

Dafür arbeitet die Branche und sucht immer den besten Preis.

Geiz ist Geil.


Da ist es eigentlich auch egal, legal auch, ob man gemäß eigenen ISM Transportbedingungen nur mit solchen Partnern Schiffe betreibt und Ladung befördert, die gleiche Bedingungen führen und den Transport sicher stellen können.


Und wer schützt nun die Globalseemänner?

Gewerkschaften wie die ITF z.B., Behörden.

Nur muss der Seemann aktiv werden und sie informieren.

Wäre das eine Meuterei?

In diesem Falle sicher nicht.

Aber es braucht Mut und Rückgrat, auch Hilfen. 


Das ist immer noch die Schattenseite im System:


Geiz ist eben immer noch Geil.


Und nicht jede Hafenstaatskontrolle gleicht der anderen.


Menschen legen die Dinge so für sich aus, wie es die 

örtlichen Umstände zulassen.


Meist auch oft zum eigenen Vorteil.


Hab ich erlebt wie man weich gekocht werden kann,

um solche Überprüfung zu überstehen, obwohl alles in Ordnung schien.


Mensch findet immer was....wenn er will.


Was wird nun aus dem Schiff?


Ich vermute, es wird seine letzte, kurze Reise antreten und als Ersatzteillager dienen.


Nur als "Ausbildungsschiff" sollte es nicht mehr fahren!



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